Vor 50 Jahren wurde die Einweihung der Friedland-Siedlungen groß gefeiert. Ein Ereignis, das für Lippetal auf mehreren Ebenen große Bedeutung hatte.
Lippetal – Die Bedeutung dieses besonderen Ereignisses in der jüngeren Geschichte der Gemeinde Lippetal lässt sich schon daran messen, dass die meisten Kinder an diesem Tag schulfrei bekamen. Sie sollten mitfeiern, genau wie die vielen geladenen Ehrengäste, deren Namen eine lange Liste füllten.
Eine gute Viertelstunde soll es bei der Begrüßung in der „in Schmuck und Blumengebinden erstrahlenden Gemeinschaftshalle in Oestinghausen“ gedauert haben, alle prominenten Gratulanten aufzuzählen. Ein schönes Fest und ein Tag der Freude vor allem für die Aussiedlerfamilien, die in Herzfeld, Hovestadt, Oestinghausen und Lippborg ein neues Zuhause gefunden hatten.
Die offizielle Übergabe der vier Friedland-Siedlungen mit rund 200 Wohnungen jährt sich am 6. November zum 50. Male. Ältere Bewohner erinnern sich intestine an diesen denkwürdigen Tag im Spätherbst 1973, an dem neben den Siedlern selber vor allem ein Mann im Zentrum des Geschehens stand: Monsignore Wilhelm Scheperjans, ein katholischer Geistlicher, der sich als Pfarrer im Durchgangslager Friedland seelsorgerisch um Heimkehrer, Flüchtlinge und Vertriebene kümmerte, sich aber auch beharrlich dafür einsetzte, dass Zuwanderer deutscher Abstammung, die in Zeiten des Eisernen Vorhangs in Osteuropa unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges litten, ein Dach über dem Kopf bekamen.
Ein Großteil kam aus Polen und reiste im Zuge der Familienzuführung in die Bundesrepublik aus. Unermüdlich sammelte Scheperjans Spenden. Die Kinder der Aussiedler, die nun in Lippetal ihren Lebensmittelpunkt einrichten wollten, bedankten sich am Festtag auf ihre Weise und überreichten dem Förderer und Siedlungs-Gründer rote Rosen.
Herausragende Leistung
Staatssekretär Heinrich Stakemeyer, der den kurzfristig verhinderten Landes-Innenminister Willi Weyer vertrat, hob, wie unsere Zeitung damals berichtete, in seiner Ansprache in Oestinghausen die herausragenden Leistungen von Wilhelm Scheperjans hervor. Mit viel Mühsal habe dieser die notwendigen Gelder eingebracht.
Das Beispiel zeige, wie positiv sich personal Initiative, gekoppelt mit öffentlicher Unterstützung, auswirken und bewähren könne. Er lobte auch die Gemeinde Lippetal, die in Zeiten, da andere Kommunen Prunkbauten wie zum Beispiel Theater aus dem Boden stampfen, Kleinsiedlungen für Menschen schaffe, die vieles aufgegeben hätten und nun von vorn anfangen wollten.
Bundespräsident Gustav Heinemann schickte Grüße und würdigte die beispielhafte Tatkraft Monsignore Scheperjans. Gemeindedirektor Franz-Josef Nölle las zudem ein Schreiben von NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn vor. Der Landesvater drückte seine Hoffnung für die Aussiedlerfamilien aus, dass sie „schon bald eine Integration und damit eine echte Heimstätte im Lippetal“ finden mögen.
Das Einleben ermöglichen
Landrat Georg Ehrich sicherte auch für die Zukunft den Lippetaler Aussiedlerfamilien die ständige Bereitschaft des Kreises Soest zur Unterstützung zu. „Bei etwas gutem Willen können alle Schwierigkeiten überwunden werden“, sagte er. „Betrachten Sie diese Gemeinde“, rief Bürgermeister Elmar Graf von Plettenberg den Siedlern zu, „wir alle sind bemüht, Ihnen das Einleben zu ermöglichen.“
Zuvor hatte er erläutert, dass die noch junge Großgemeinde nicht ganz uneigennützig zum Gelingen der Projekte beigetragen habe. Noch ein Jahr zuvor habe die Einwohnerzahl bei 9500 gelegen, „ein Land ohne Volk“. Nicht zuletzt um eine dichtere Besiedlung zu erreichen, habe man sich um die Friedland-Siedlung bemüht.
Mit Bussen zu den Siedlungen
Tausend Menschen seien so hinzugekommen, darunter 400 Kinder der Aussiedlerfamilien. Die Gemeinde Lippetal hatte intestine die Hälfte des Baugrundes kostenlos zur Verfügung gestellt, aus den Kassen von Bund und Land flossen 1,2 Millionen Mark an Zuschüssen, 1,7 Millionen Mark wurden mittels Hypotheken über Banken gedeckt.
Mit Dienstwagen und Bussen machten sich die Spitzenvertreter aus Politik, Verwaltung und Kirche nach dem Festakt auf den Weg, um sich die neuen, gerade bezogenen Häuser anzusehen und in Lippborg der ökumenischen Segnung beizuwohnen, hielt der Berichterstatter unserer Zeitung fest. In der Gemeinschaftshalle deckten viele helfende Hände inzwischen die Tische für ein dem Anlass gemäßes Essen. Die Siedler gingen mit vielen guten Wünschen nach Hause: Mögen sie in der neuen Umgebung Geborgenheit erfahren, Ruhe, und Zufriedenheit, dazu Glück, Gesundheit und ein gedeihliches Aufwachsen ihrer Kinder, gaben ihnen die Redner mit auf den Weg.
Die vier Friedland-Siedlungen
Im August 1973 berichtete unsere Zeitung über umfassende Baumaßnahmen in der Großgemeinde rechts und hyperlinks der Lippe, geschaffen durch die kommunale Neuordnung am 1. Juli 1969. Die vier Friedland-Siedlungen gehörten damals zu den größten Projekten. In dem Artikel damals heißt es: „Insbesondere die bereits ganz bezogene Siedlung in Herzfeld wird von Besuchern immer wieder als mustergültig bezeichnet, was in wenigen Monaten nach endgültiger Fertigstellung, so viel lässt sich heute schon übersehen, von der Friedland-Siedlung in Lippborg ebenfalls festzustellen sein wird. Sowohl die Gemeindevertretung als auch die Verwaltung der Gemeinde Lippetal werden sich nach wie vor um das Wohl und Wehe ihrer neuen Mitbürger kümmern, wobei die Hauptarbeit dem Sozialamt zufällt, das wie bisher auch für die Folge immer dann beratend und helfend unter die Arme greifen wird, wenn es gilt, materielle Not zu lindern. Der Eingliederung der Spätaussiedler ebenso wie den Hauptschülern der gesamten Gemeinde und den Besuchern der in Erwägung gezogenen Volkshochschule dient auch die bereits in Auftrag gegebene Sprachlehranlage mit 40 Plätzen. Auch diese wertvolle Anlage mit einem Kostenaufwand von 55 000 Mark wurde vom Land und der Gemeinde gemeinsam finanziert.“