Die Bundesregierung will Solaranlagen künftig verstärkt im ländlichen Raum errichten, wo Böden schwer zu bewirtschaften sind. Laut Robert Habeck sollen Flächen doppelt genutzt werden: für die Landwirtschaft und für die Stromerzeugung über Photovoltaik-Anlagen. Diese Doppelnutzung nennt sich Agri-PV, doch der Bauernverband hat dabei Bedenken.
Der Deutsche Bauernverband reagiert verhalten auf Habecks Pläne. Generalsekretär Bernhard Krüsken sagt, wenn es tatsächlich Agri-Photovoltaik (Agri-PV) sei, dann der Flächenverlust überschaubar und man könne damit umgehen. Aber: “Es gibt nicht nur die Agri-PV, sondern es gibt auch – und das wird ja der weitaus größere Teil der Projekte sein – die ganz normale Freiflächen-PV. Diese Fläche ist natürlich für Landwirtschaft, Lebensmittelerzeugung und Biodiversität erstmal verloren.”
Kurz erklärt: Bei der Agri-PV steht die Nahrungsmittelproduktion im Vordergrund und der Landwirt stellt sich zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage auf seinen Acker oder über die Obstplantage. Das kann durchaus constructive Effekte haben: Sonnen- und Hagelschutz für die angebauten Pflanzen und zusätzlichen Strom, der entweder für den eigenen Betrieb genutzt oder verkauft werden kann.
Bauernverband hat Bedenken
Schwierig an der Sache: Den meisten Landwirten in Deutschland gehört das Land, das sie bewirtschaften, nicht. Sie haben es nur gepachtet. Nach Angaben des Thüringer Bauernverbands liegt die Pachtquote bei 70 bis 80 Prozent.
Wenn dann Investoren und Flächeneigentümer zusammen PV-Anlagen planten, werde es schwierig, sagt Toralf Müller, Vize-Präsident des Thüringer Bauernverbands: “Da haben wir Bedenken, dass das an dem Landwirt vorbeigeht. Dass er sowohl die Fläche verliert, weil er sie nur gepachtet hat, als auch Einkommen verliert, weil er es nicht mehr bewirtschaften kann und am Betrieb der Anlage gar nicht beteiligt ist.”
Es müssten Modelle gefunden werden, wo die Landwirte am Betrieb von PV-Anlagen immer mit beteiligt seien, findet Müller. Grundsätzlich seien die Bauern für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Das Thüringer Landwirtschaftsministerium stellt sich hinter seine Landwirte. Der zuständige Staatssekretär Torsten Weil sagte dem MDR bereits letztes Jahr, man befürworte vor allem Betreibermodelle, die die regionale Wertschöpfung erhöhten: “Das sind aus unserer Sicht vor allem Agrarbetriebe als Betreiber oder eben Bürgerinnen- und Bürgergenossenschaften.”
Erste Projekte in Mitteldeutschland
Aktuell ist in Thüringen noch kein Agri-PV-Projekt umgesetzt. Nach Angaben des Netzwerks “SolarInput” sind aber zwei in Planung: in der Nähe von Weimar und nördlich von Erfurt.
In Sachsen-Anhalt wird immerhin schon gebaut: Bei Apenburg in der Altmark entsteht mit 34 Hektar gerade die größte Agri-PV-Anlage Deutschlands.
In Sachsen sind schon zwei Agri-PV-Projekte umgesetzt: eine Freiflächenanlage in Lüptitz bei Leipzig und eine Forschungsanlage der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden in Pillnitz.
Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Sven Schulze findet es intestine, dass über die Doppelnutzung von Flächen für Landwirtschaft und Photovoltaik nun detaillierter gesprochen wird. Denn es gebe noch viele offene Fragen, weil man über Solarenergie im Second viel Geld verdienen könne: “Gerade bei den Flächenbesitzern, den Bauern gibt es Fragen: Was bedeutet das für ihre Anbauflächen? Wird es in der Zukunft so sein, dass immer mehr Menschen versuchen, Solaranlagen zu installieren? Welche Möglichkeiten gibt es für die Kommunen? Deswegen brauchen wir eine klarere Regelung aus Berlin. Und das scheint jetzt ein Stück weit in diese Richtung zu gehen”, sagt Schulze.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. August 2023 | 06:00 Uhr